Was macht eigentlich Versicherungen nachhaltig?

Versicherung und Nachhaltigkeit

Es ist schon eigenartig, wie inflationär der Begriff „Nachhaltigkeit“ im Bereich der Versicherungen und Finanzdienstleistungen benutzt wird. Seit es zum guten Ton gehört, irgendetwas mit Klimaschutz oder Nachhaltigkeit im Programm zu haben und schlimmer noch, darüber berichten zu müssen, überschlagen sich die Versicherer, sich selbst mit schönen Worten zu loben.

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CSR und CSRD

Seit 2017 sind Versicherungen und Finanzdienstleistungsunternehmen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSR) verpflichtet. Diese enthalten der EU-Richtlinie entsprechend Angaben über nicht-finanzielle Informationen (NFRD). Mittlerweile wurde diese Form der Berichterstattung aus gutem Grund durch die EU zur CSRD weiterentwickelt, nur halt in Deutschland nicht. In Deutschland hat es die alte Regierung nicht geschafft, rechtzeitig das entsprechende Gesetz samt Verordnungen umzusetzen. Die EU-Kommission hat daher ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Die neue, schwarz-rote Regierung, wird hier auch nicht aktiv werden. Es soll ja Bürokratie abgebaut werden.

So bleibt es aktuell eher bei einer Schauveranstaltung mit Marketing-Schönfärberei.

Wie sieht so ein Nachhaltigkeitsbericht aus?

Die Berichte der Versicherer (VR) müssen den europäischen Richtlinien entsprechend alle wesentlichen Informationen beinhalten, die zum einen ein Risiko für den Versicherer aus den Folgen des Klimawandels darstellen und die Auswirkungen der Geschäftstätigkeit des VR im Bezug auf die ESG-Ziele der EU. Außerdem werden die Strukturen des VR mit den handelnden Personen erläutert.

Ein weiterer Teil des Berichtes betrifft immer auch die einzig wirkliche Macht zur Veränderung die Versicherungsunternehmen haben, die Kapitalanlagen. Und das ist ein Trauerspiel.

Geld regiert die Welt

Es gibt VR, die zumindest in ihrem Nachhaltigkeitsbericht schreiben, dass der wesentliche Hebel für Nachhaltigkeit der VR in deren Kapitalverwaltung besteht. Allerdings wird dieser Hebel nur unzureichend bis überhaupt nicht genutzt. 

Hier gibt es gravierende Unterschiede zwischen Sachversicherungen und Lebensversicherungen. So sind zum Beispiel in der Brancheninitiative bessergrün bis jetzt ausschließlich Sach- bzw. in geringer Anzahl Krankenversicherer, die ihren Kunden eine ESG-konforme Geldanlage für Ihre nachhaltigen Produkte garantieren.                               

Bei den Lebensversicherern sind nicht einmal die Guten, wie BarmeniaGothaer, Pangaea Life oder Alte Leipziger, umfangreich nachhaltig aufgestellt. Sie haben allerdings wenigsten für die Zukunft durch gute Ausschlusskriterien dafür gesorgt, das sich das Blatt hier wendet.

Langfristige (sichere) Anlagepolitik verhindert schnelle Nachhaltigkeit

Das Lebensversicherer Schwierigkeiten bei der Umstellung hin zur Nachhaltigkeit haben, liegt auch an deren langfristige Anlagepolitik, die zur Sicherheit des Deckungskapitals beiträgt. Es dauert also, bis diese Geldanlagen auslaufen und ersetzt werden können. Allerdings fehlt bei manchen VR auch der Wille, überhaupt Veränderungen herbeizuführen.

Wenn wir uns den Branchenprimus, die Allianz, einmal genauer unter die Lupe nehmen, hat die Anlagepolitik nicht wirklich etwas mit Nachhaltigkeit zu tun. Das habe ich hier schon einmal beschrieben. Seit dem die zum Allianz-Konzern gehörende AGI Fondsgesellschaft aber selbst Rüstungsaktien als „nachhaltig“ ausweisen, macht sich hier der Bock zum Gärtner.

Die Allianz ist aber kein bedauerlicher Einzelfall. So schreibt die DEVK in ihrem Nachhaltigkeitsbericht:

 „Da der Anteil taxonomiefähiger Anlagen im Markt derzeit noch gering ist, ist vorerst eine Zielsetzung bezüglich einer Erhöhung des taxonomiefähigen Anteils nicht angestrebt“

Ich könnte da ja einige Empfehlungen geben.

Die Liste der nicht handelnden Versicherer ist endlos weiterzuführen.

Allein es fehlt der Wille

Wenn z. Bsp. der Leiter Vertrieb der DMB Rechtsschutz im Interview behauptet, eine Rechtsschutzversicherung sei per se nachhaltig, ist das deutlich zu kurz gesprungen. Und das, obwohl die DMB mit Ihrem Tarif „YOLIG“ ein ansatzweises nachhaltiges Produkt vertreibt.

Aber da ist er ja leider nicht allein. Nachhaltigkeit wird in der Versicherungsbranche schon dafür angenommen, weil ein gegenseitiges Unterstützen im Schadensfall als Versicherungsgemeinschaft als soziales, gesellschaftliches Engagement angesehen wird. Das trifft allerdings höchstens noch auf kleinere Versicherungsvereine zu, alle anderen Player sind Wirtschaftsbetriebe mit Gewinnmaximierungsstreben.

Es bleibt dem Kunden überlassen, tatsächlich nachhaltige VR zu finden. Die Berichte der VR geben hier oftmals keinen guten Hinweis. Erst in den Tiefen der Kapitalanlagestrategien kann erkannt werden, wer es mit der Nachhaltigkeit ernst meint. Das ist mühsam und hilft nicht weiter. Ich wünsche mir da mehr Ehrlichkeit und weniger Eigenwerbung in den Berichten. 

Es geht auch anders!

Es gibt sie, die VR, die sich tatsächlich auf den Weg gemacht haben und ihre Kapitalanlagen umstellen. Ein Beispiel ist die Ostangler Brandgilde, ein kleiner Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit aus Schleswig-Holstein. Der Bericht ist übersichtlich, erfüllt alle Vorgaben der EU und macht deutlich, das ein Umsteuern möglich ist. Hier hat ein VR die Zeichen der Zeit und die Gefahren des Klimawandels verinnerlicht und handelt.

mit nachhaltigen Grüßen

René Russell