Das ist in der Kfz-Versicherung hakt, das ist nicht nur der neuen Chefin der BaFin, Anja Käfer Rohrbach, aufgefallen. Schon seit 2022 schreiben die deutschen Kfz-Versicherer rote Zahlen. Die Schadenkostenquote liegt seitdem bei mehr als 100%. Das heißt die Versicherer geben mehr Geld für KFZ-Schäden aus, als sie an Beiträgen einnehmen. Das ist kein auf Dauer haltbarer Zustand. Die Verluste der Branche belaufen sich für 2023/24 auf 5 Milliarden Euro.
Die Gründe hierfür sind vielfältig:
- ruinöser Wettbewerb unter den Marktteilnehmern
- Extrem gestiegene Ersatzteilekosten durch die Autohersteller
- Eine deutlich über der Inflationsrate liegende Preisentwicklung der Werkstätten
Die Anweisung der BaFin Chefin waren eindeutig – die Kfz-Versicherer müssen handeln!
Die ersten Versicherer haben schon reagiert und Vertriebswege verschlankt, um auf der Vertragsseite Kosten zu senken. Als erstes wurden die Verbindung zum Maklerpools eingestellt, so hat die Rhion AG ihre Vertriebsvereinbarung mit der Dema Deutsche Versicherungsmakler AG eingestellt, die Bayerische übergibt 80% ihrer Kfz-Sparte an Rückversicherer, die Württembergische stellt Maklern nicht mehr alle ihre Tarife zur Verfügung und der HDI hat das gesamte Kfz-Geschäft im Privatkundenbereich über Maklerpools eingestellt. Das soll Kosten senken.
Völlig außer Acht gelassen wird hierbei die Marktmacht der „Vergleichsportale“ wie Check24 (mit 90% Marktführer) oder verifox (Nr. 2). Hier ist allerdings der Titel „Vergleichsportal“ irreführend, denn es handelt sich hier schlicht um Versicherungsmakler, die mittlerweile einen sehr großen Einfluss auf die Preisgestaltung der Versicherer haben.
Beitragserhöhungen von 20% im Durchschnitt
Die zweite Möglichkeit zu reagieren ist, die Beiträge zu erhöhen. Und die diesjährige Beitragserhöhung wird branchenweit in bisher noch nicht dagewesener Höhe ausfallen. Kundinnen müssen mit bis zu 30% höheren Beiträgen rechnen, ein enormer Zuwachs! Trotz des höheren Beitragsaufkommen wird 2025 nicht mit einer Entspannung der Lage gerechnet. Zwangsläufig wird es zu einer Bereinigung des Marktes kommen, zum langfristigen Nachteil der Verbraucherinnen.
Neue Wege sind schwierig
Eigentlich wollten die Versicherer neue Wege gehen, um den Kundinnen passgenauere Tarife anzubieten – Stichwort Telematik. Es sollte nur noch der tatsächliche Fahrzeuggebrauch mit Beiträgen belastet werden. Die hierfür benötigten Daten sollen entweder über die Fahrzeuge selbst erhoben werden, hier spielen die Autohersteller aber nicht mit. Oder es sollen Daten über die Kundinnen via App erfasst werden, hier spielen die Kundinnen nicht mit. Wer wird denn auch schon gern von seiner Versicherung überwacht?
E-Mobilität als Kostentreiber
Das nächste Problem für die Versicherer kündigt sich auch schon an. Zwar verursachen Stromer weniger Unfälle, diese sind im Schnitt allerdings um ca. 25% teurer als Schäden bei Verbrennern. Die Werkstätten sind noch nicht so weit, Elektroautos effizient zu reparieren und der Bereich Akku-Reparatur steckt auch noch in den Kinderschuhen. Das macht den trotz allen Unkenrufen zum Trotz wachsenden E-Auto-Markt unerwünscht teurer.
Hausgemachte Probleme sind tragen große Mitschuld
„Spare in der Zeit, dann hast du in der Not“
Dieser Spruch unserer Großeltern wird in der Versicherungsbranche leider häufig außer Acht gelassen. Es gab auch fette Jahre für die KFZ-Versicherer. Diese hätten genutzt werden können, um die Digitalisierung voranzubringen und den Service zu verbessern. Jetzt, wo das Haus brennt, fehlen die Mittel und die personellen Ressourcen. Das Ergebnis ist eine höhere Beschwerdequote bei der BaFin.
Eine zusätzliche Belastung der Versicherer ist der Irrglaube, über die KFZ-Versicherung Kundinnen an das eigene Unternehmen zu binden. Das führte zu nicht ausreichend kalkulierten Beiträgen in der Vergangenheit und hat den Versicherern keinen nennenswerten Erfolg in anderen Geschäftsbereichen beschert. Denn die Kundinnen haben nach den dann später notwendigen Anpassungen die Versicherer wieder verlassen und der Versicherer hatte den Schaden durch eine Prämienunterdeckung.
Aus der Vergangenheit nichts gelernt
Wenn man jetzt denkt, die Versicherer lernen dazu, hat man sich geschnitten. Es werden weiter Symptome bekämpft. Es zählt der schnelle Erfolg, auch ein Grund auf die Marktmacht der Vergleichsportale zu setzen.
Der Ausweg
Meiner Erfahrung nach sind Kundinnen sehr wohl bereit, einen höheren Beitrag für die KFZ-Versicherung zu akzeptieren. Dafür müssen allerdings die Leistungen und der Service stimmen. Wochenlanges warten auf schriftliche Anfragen oder stundenlanges Warten in der Telefonwarteschleife gehören nicht wirklich zu gutem Service, unverhältnismäßige Kürzungen zu Lasten der Versicherten im Schadensfall ebenso wenig.
Es braucht also gut kalkulierte Tarife mit langfristiger Beitragssicherheit, die einen echten Mehrwert für die Kundinnen bieten, damit diese den jährlichen Wechselunsinn nicht länger mitmachen. Das hilft langfristig am Ende allen, denn jeder Versichererwechsel kostet Geld, welches zusätzlich die Beiträge der Kundinnen erhöht.
Mit nachhaltigen Grüßen
René Russell
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