Warum die Autoindustrie die E-Mobilität vermurkst

Die Vorgeschichte

Mit der Klimarahmenkonvention haben sich 1992 in Rio de Janeiro 154 Staaten verpflichtet, alle Anstrengungen zu unternehmen, um den Temperaturanstieg des Weltklimas unter 1,5°C zu halten. Das haben die Staaten der Welt übrigens bereits in 2023 schon nicht mehr geschafft ☹. Mittlerweile haben das Abkommen 197 Staaten (einschließlich der EU) unterzeichnet. Ziel war es, die Treibhausgas-Emissionen bis 2020 um 20% gegenüber 1990 zu verringern. Im Frühjahr 2021 wurden die Ziele seitens der EU verschärft (bis 2030 netto minus 55% und Klimaneutralität um die Jahrhundertmitte).

Da wir auch in Deutschland unsere selbstgesteckten Ziele allesamt gerissen haben hat die Bundesregierung bereits seit 2014 (übrigens ohne grüne Regierungsbeteiligung) mehrfach die Maßnahmen nachgeschärft, ohne Erfolg.

Das Bundesverfassungsgericht (BVG) schreitet ein

Erst 2019 wurden dann durch die damalige Bundesregierung erstmals verbindliche Minderungsziele per Gesetz erlassen. Aber auch die danach getroffenen Maßnahmen reichten bei weitem nicht aus, die jetzt verbindlichen Ziele zu erreichen.

Aus diesem Grund haben viele Menschen und Institutionen das BVG angerufen und dieses hat 2021 dem Klimaschutz Verfassungsrang eingeräumt und die verbindlichen Ziele neu festgelegt. Jetzt gelten 65% Reduktion bis 2030, bis 2040 mindestens 88%, bis 2045 eine Netto-Treibhausgasneutralität und nach 2050 sollen negative Treibhausgas-Emissionen erzielt werden.

„Wenn mehrere Regierungen jahrelang die Hände in den Schoß legen (übrigens alle CDU-geführt), muss sich kein Mensch wundern, wenn es jetzt sehr viel anstrengender wird“

Einer der größten Sektoren bei der Treibhausgasemission neben der Energie und Industrie ist der Verkehr. Und während alle Sektoren, ihren Ausstoß im Vergleich zu 2010 verringern konnten, tritt der Verkehrssektor auf der Stelle. Und hier kommt die E-Mobilität ins Spiel.

Schaubild des Ist-Zustand der Treibhausgas-Emissionen und deren Zielsetzung bis 2030
Quelle: bmwk

Mitnahmeeffekt der Bafa-Prämie – ein Eigentor der Autoindustrie

Neben einem Ausbau des ÖPNV wurde bei der Reduktion der Treibhausgasemissionen große Hoffnung auf den privaten Verkehr gelegt. Bis 2030 sollten 15 Mill E-Automobile Deutschlands Straßen befahren. Aktuell sind allerdings erst 2 Mill. E-Mobile unterwegs und die den Anreiz schaffende BAFA-Prämie für E-Autos wurde Ende 2023 über Nacht abgeschafft. Wie durch Zauberhand wurden danach plötzlich die E-Autos entsprechend günstiger. Die Auto-Industrie hat offenbar bei der Preisfindung ihrer Fahrzeuge den Mitnahmeeffekt der BAFA-Prämie solange es ging ausgereizt.

Ein Eigentor, denn was passiert, wenn Neuwagen über Nacht bis zu 15% günstige werden? Richtig, der Gebrauchtwagen wird entsprechend abgewertet und der Handel mit gebrauchten E-Autos kommt zum Erliegen. Außerdem geht jede Menge Vertrauen in die Preisgestaltung der Autoindustrie verloren.

Welche E-Autos gebraucht werden

Im Alltag haben E-Autos viele Vorteile.

  • sie sind leise
  • haben eine gleichmäßige Kraftentfaltung (das Fahren macht also richtig Spaß!)
  • die Wartungskosten sind extrem niedrig (geringer Bremsenverschleiß trotz hohem Fahrzeuggewicht durch Rekuperation, kein Ölwechsel/Kühlmittelwechsel etc..)
  • großartiger Komfort beim Fahren da keine Vibration und Automatik sowie diverse Assistenzsysteme

Aber wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten. Was uns an unserem E-Auto (Citroen E-C4) am meisten stört ist die mangelnde Alltagstauglichkeit vor allem im Winter und auf Strecke. Und unser Modell ist kein bedauerlicher Einzelfall wie viele E-Auto-Foren bezeugen. Sind im Sommer im Stadtverkehr noch über 300 km Reichweite drin, verringert sich diese im Winter dramatisch. Im Extremfall (Winter mit Heizung(!), Beleuchtung und Scheibenwischer auf der Autobahn bei Tempo 100 km/h) schafft unsere Eli (bei uns haben Autos immer Namen 😉) nicht einmal mehr 150 km Reichweite! Das ist nicht alltagstauglich, zumal das Ladenetz noch immer zu wünschen übriglässt.

Was notwendig ist sind Fahrzeuge:

  • die leichter werden, weil sie als E-Autos konzipiert allen überflüssigen Ballast ablegen
  • deren Heizung mittels Wärmepumpe auch im Eco-Modus funktionieren
  • die weniger Wert auf Kraft und Performance legen, sondern auf Reichweite ausgelegt sind (was nützen über 150 PS und in 6 Sek. auf 100 km/h bei nur 340 km Reichweite nach wltp, wie sie viele aktuelle Fahrzeuge bieten)
  • die mit weniger Schnick-Schnack ausgestattet sind

Wer braucht schwere, teure E-SUVs

Was aber bei der Automobil-Industrie aus Sicht der Treibhausgas-Emissionen völlig aus dem Ruder läuft, ist der Versuch, riesige E-SUVs in den Markt zu bringen und das in mehrfacher Hinsicht:

  • größeres Fahrzeug = höheres Gewicht
  • höheres Gewicht = höherer Verbrauch
  • höherer Verbrauch = größere Batterie
  • insgesamt Ressourcenverschwendung par Excellence

Und anders als in den Zeiten der Luxusautomobile im Verbrennerbereich gilt bei E-Autos nicht der Leitspruch: was in der Luxusklasse entwickelt wird, wird später auch in den niedrigeren Fahrzeugklassen Standard. Bei E-Autos gilt:

„bist du falsch abgebogen, dann hast du dich verfahren, Punkt!“

Klimatechnisch sind diese Fahrzeuge ein Super-Gau. Aber auch wirtschaftlich sind sie für die Autoindustrie ein hohes Risiko, da diese Fahrzeuge mittlerweile mit hohen Rabatten in den Markt gedrückt werden müssen. Was es braucht, ist ein Umdenken.

Und wenn die Industrie das nicht von allein macht, braucht es Hilfe von außen. So wie aus Paris, wo die Parkgebühren für große, schwere Autos extrem erhöht werden. Vielleicht ist dies ein Weg, den Gigantismus der Automobilindustrie Einhalt zu gebieten.

Mit nachhaltigen Grüßen

René Russell